ESG macht Neuausrichtung des HR-Reportings erforderlich

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU ist mehr als eine neue Berichtspflicht – sie ist ein Paradigmenwechsel für die Unternehmenssteuerung. Für Sie als CHRO, Governance- oder ESG-Verantwortliche:r stellen sich drängende Fragen zur strategischen Ausrichtung und praktischen Umsetzung. Dieser Beitrag analysiert die Kernanforderungen und Implikationen, basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen.


Die CSRD markiert einen Wendepunkt: Von rund 11.000 auf etwa 49.000 Unternehmen in der EU wird der Kreis derer erweitert, die detailliert und standardisiert über ihre Nachhaltigkeitsleistungen berichten müssen. Im Kern steht die Forderung nach auditierten ESG-Berichten, die dem Prinzip der doppelten Wesentlichkeit folgen. Das bedeutet: Es zählen nicht nur die finanziellen Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf Ihr Unternehmen (Outside-In), sondern ebenso die Auswirkungen Ihres unternehmerischen Handelns auf Umwelt und Gesellschaft (Inside-Out). Die bisher oft freiwilligen Angaben weichen verpflichtenden, extern geprüften Prozessen – zunächst mit begrenzter, später mit umfassender Sicherheit (Reasonable Assurance).

Erweiterter Anwendungsbereich und neue Pflichten: Wer ist betroffen und was ist zu tun?

Die Ausweitung des Anwendungsbereichs ist signifikant. Nicht nur große kapitalmarktorientierte Unternehmen, sondern auch große nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen und unter bestimmten Voraussetzungen auch KMUs sowie Muttergesellschaften von Nicht-EU-Unternehmen fallen unter die neuen Regeln. Die Implementierung erfolgt gestaffelt, doch der Vorbereitungsdruck steigt für alle Betroffenen. Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) konkretisieren die Berichtsinhalte und verlangen eine deutlich höhere Detailtiefe und Vergleichbarkeit als bisherige Standards wie die Non-Financial Reporting Directive (NFRD).

Implikation für Entscheider:innen: Prüfen Sie frühzeitig, ab wann Ihr Unternehmen berichtspflichtig ist und welche spezifischen ESRS für Ihre Branche und Wesentlichkeitsanalyse relevant sind. Der Aufbau interner Kapazitäten und Prozesse für die Datenerfassung und -validierung ist jetzt entscheidend.

Doppelte Wesentlichkeit: Die strategische Neuausrichtung im Reporting verstehen

Das Konzept der doppelten Wesentlichkeit ist ein Herzstück der CSRD und stellt für viele Unternehmen eine methodische Herausforderung dar (vgl. Primec und Belak, 2022; Brans et al., 2024). Es erfordert eine umfassende Analyse, welche Nachhaltigkeitsthemen sowohl aus finanzieller Sicht für das Unternehmen wesentlich sind als auch wesentliche Auswirkungen auf Umwelt und Soziales haben.

Implikation für Entscheider:innen: Die Implementierung eines robusten Prozesses zur doppelten Wesentlichkeitsanalyse ist unerlässlich. Dies erfordert oft eine neue Denkweise, die über traditionelle Finanzkennzahlen hinausgeht und eine enge Zusammenarbeit zwischen Finanz-, Nachhaltigkeits-, HR- und operativen Abteilungen notwendig macht.

Governance im Wandel: Neue Verantwortung für Vorstand und Aufsichtsrat

Die CSRD rückt die Rolle der Unternehmensleitung bei ESG-Themen stark in den Fokus. Studien (u.a. Bachmann, 2018; Baumüller und Grbenic, 2021) belegen, dass Vorstand und Aufsichtsrat künftig eine deutlich aktivere und nachweisbare Rolle bei der Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Unternehmensstrategie, das Risikomanagement und die internen Kontrollsysteme einnehmen müssen.

  • Erhöhte Aufsichtspflicht: Die Überwachung der ESG-Performance und der Berichterstattung wird zu einer Kernaufgabe.

  • Strategische Integration: ESG-Ziele müssen klar in der Unternehmensstrategie verankert und mit messbaren KPIs hinterlegt werden.

  • Erweiterte Offenlegung: Transparenz über Ethikrichtlinien, Anti-Korruptionsmaßnahmen, Lobbying und das Management von Stakeholder-Beziehungen wird explizit gefordert.

Implikation für Entscheider:innen: Etablieren Sie klare Verantwortlichkeiten und Prozesse für ESG-Themen auf höchster Führungsebene. Sorgen Sie für die notwendige ESG-Kompetenz in Vorstand und Aufsichtsrat und stellen Sie sicher, dass Nachhaltigkeitsaspekte integraler Bestandteil strategischer Entscheidungen sind.

Die Implementierungs-Challenge: Typische Hürden und wie man sie meistert

Die Umsetzung der CSRD ist komplex und ressourcenintensiv. Die analysierte Forschung (u.a. Kosi und Relard, 2024; Baumüller et al., 2021) identifiziert wiederkehrende Herausforderungen:

  • Administrativer Mehraufwand: Die Erfassung, Konsolidierung und Aufbereitung der geforderten Daten übersteigt oft die Kapazitäten bestehender Systeme.

  • Datenqualität und -verfügbarkeit: Insbesondere für soziale Indikatoren und Aspekte der Lieferkette fehlen oft granulare und verlässliche Daten.

  • Systemharmonisierung: Fragmentierte IT-Landschaften erschweren ein integriertes Reporting.

  • Unsicherheit bei Standards: Die Detailtiefe der ESRS und deren Interpretation erfordern kontinuierliche Auseinandersetzung.

  • Prüfungssicherheit: Die Vorbereitung auf die externe Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung stellt neue Anforderungen an interne Kontrollsysteme.

  • Greenwashing-Risiko: Oberflächliche Berichterstattung ohne substanzielle Veränderungen wird durch die Prüfpflicht und die öffentliche Wahrnehmung zunehmend kritisch gesehen.

Implikation für Entscheider:innen: Beginnen Sie frühzeitig mit einer Gap-Analyse Ihrer Daten und Systeme. Investieren Sie in die Digitalisierung und Harmonisierung Ihrer HR- und ESG-Datenlandschaft. Bauen Sie internes Know-how auf und ziehen Sie bei Bedarf externe Expertise für die Interpretation der Standards und die Vorbereitung auf die Prüfung hinzu.

Strategische Perspektive: Von der Compliance zur Wertschöpfung

Die CSRD ist zweifellos eine Herausforderung. Doch sie bietet auch eine signifikante Chance: Organisationen, die die neuen Anforderungen als Impuls für eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit ihrer Nachhaltigkeitsperformance und Governance nutzen, können erhebliche strategische Vorteile realisieren. Dazu gehören eine verbesserte Reputation, eine höhere Attraktivität für Talente und Investoren, effizientere Prozesse, ein besseres Risikomanagement und eine gestärkte Innovationskraft.

Der KYBERNET-Ansatz: Systemdenken für komplexe Herausforderungen

Die erfolgreiche Navigation der CSRD-Anforderungen erfordert mehr als Checklisten – sie verlangt einen systemischen Blick auf Ihre Organisation, Ihre Prozesse und Ihre Kompetenzen. Bei KYBERNET entwickeln wir, basierend auf wissenschaftlicher Fundierung und langjähriger Praxiserfahrung, Architekturen für adaptive Organisationen. Wir verstehen, wie Kompetenzmodelle, organisationale Intelligenz und resiliente Governance-Strukturen zusammenspielen müssen, um den neuen Anforderungen nicht nur gerecht zu werden, sondern sie als Katalysator für positive Entwicklung zu nutzen.

Ihr nächster Schritt

Die CSRD ist komplex, aber mit einem klaren Verständnis der Implikationen und einem strategischen Partner an Ihrer Seite wird sie zu einem Hebel für die Zukunftsfähigkeit Ihrer Organisation.

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Quellenbasis für diesen Beitrag: Eine Analyse aktueller Studien zur CSRD, darunter Brans et al. (2024), Primec und Belak (2022), Baumüller und Grbenic (2021), Kosi und Relard (2024), Baumüller et al. (2021), Bachmann (2018)

Prof. Dr. Kai Reinhardt

Prof. Dr. Kai Reinhardt ist Professor für Organisation und Personalentwicklung an der HTW Berlin und Gründer von KYBERNET. Er forscht und berät seit über 20 Jahren zu Kompetenzmanagement, digitaler Transformation und der Gestaltung adaptiver Organisationen.

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